Man könnte vermuten, die Verantwortlichen der SLRG Sektion Luzern hätten für ihre Kursplanung einen der berühmten «Wätterschmöcker» beigezogen. Am Sonntag, 11. Dezember 2022, ist es noch eisig kalt in Buochs am Vierwaldstättersee.
Mit knapp 7 Grad Celsius ist das Wasser zwar «fast ein bisschen warm», wie Hauptkursleiter Peter Burach bemerkt. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Moduls Hypothermie sind dennoch gegeben. Nach SLRG-Kursreglement muss die Wassertemperatur «optimalerweise unter 6 Grad Celsius, maximal bei 8 Grad Celsius» liegen. Doch ist die grosse Herausforderung für die Kursteilnehmenden tatsächlich die Wassertemperatur?
Oft gehört: «Achte auf Deine Atmung!»
In Freizeitkleidung – das Kursreglement gibt Socken, lange Hose oder langer Rock und ein langärmeliges Oberteil vor – stehen die Kursteilnehmer:innen auf dem Steg in unmittelbarer Nähe des Wassersportzentrums Nidwalden. Mit 18 Wagemutigen ist der Kurs ausgebucht. «Nach der Ausschreibung im Sommer war der Kurs innert zwei oder drei Wochen voll belegt. Die Nachfrage ist gross», verrät der Co-Kursleiter Alexander Frey.
Die Lufttemperatur liegt deutlich im Minusbereich; wo Wasser lag, ist der Boden vereist. Nach der Einführung im Kursraum stehen die vier praktischen Übungen an. Doch bevor die Teilnehmer:innen losschwimmen – 60 Meter im freien Stil ist die erste Übung – gehen sie Schritt für Schritt langsam tiefer ins kalte Wasser. Wachsam beobachtet von Hilfskursleiter Thomas Schmid, der im Trockenanzug im See steht, gewöhnen sie ihren Körper an das frostige Umfeld. Immer wieder erinnert er die Unerschrockenen: «Achte auf Deine Atmung! Schau, dass Du ruhig und tief atmest!»
Trotz warmem Tee: Zunehmendes Schlottern
Die Schwimmer:innen werden eins zu eins von den beiden anderen Hilfskursleitern überwacht und begleitet. So dauert es einige Zeit, bis alle die erste Übung absolviert haben. Und weitere Herausforderungen folgen: Rettungsparcours mit 25 Meter anschwimmen und 25 Meter abschleppen, mindestens drei Meter Streckentauchen und schliesslich Abtauchen zur Rettungspuppe in drei bis vier Metern Tiefe.
Die Zeit zwischen den Übungen verbringen die Teilnehmenden in ihren nassen Kleidern an der kalten Luft. Von Übung zu Übung schlottern sie stärker; auch warmer Tee und Bouillon helfen nur bedingt. Warm verpackt in Daunenjacken, Handschuhen und Wollmützen gehen Passanten auf dem nahen Spazierweg vorbei. Manche machen grosse Augen und scheinen sich zu fragen: Wer tut sich das freiwillig an? Natacha Debelat und Milena Baumann von der SLRG Sektion Freiamt-Reusstal gehören dazu: «Hinein ins Wasser, raus aus dem Wasser, bei Kälte und Wind in den nassen Kleidern dastehen und warten: Da spürt man schon die eigenen Grenzen!»
Es ist ein erklärtes Ziel des Moduls Hypothermie: «Die Teilnehmenden lernen ihre eigenen physischen Grenzen kennen». Dies hat auch Stefan Meyer von der Sektion Baldeggersee erfahren: «Es ist beeindruckend, wie im kalten Wasser die Leistungsfähigkeit zusammenfällt. Im kalten Wasser ist einfach alles anders. Das war eine gute Erfahrung!
«Höchste Achtung vor den Menschen, die diesen Kurs machen!»
Co-Kursleiter Alexander Frey hat das Modul Hypothermie 2015 erstmals selber absolviert. Bei ihm hat der Kurs nachhaltig Eindruck hinterlassen: «Seit dem ersten Kurs hat mich das kalte Wasser nicht mehr losgelassen. Ich gehe seither regelmässig im Winter in der Badehose im See schwimmen. Im Dezember beginnt quasi meine Badesaison. Und zu Hause dusche ich auch nur noch kalt – es ist ein geniales Gefühl!»
Aus gesundheitlicher Sicht spricht laut Sportarzt Dr. med. Daniel Wegmann grundsätzlich nichts gegen den massvollen Aufenthalt im Kaltwasser. Er ist während diesem Kurs Fachperson Hypothermie. Obwohl es relativ wenig Literatur zum Thema Hypothermie gebe, habe man recht viele Fallbeschreibungen. «Jeder Fall ist anders – das macht das Thema spannend.»
Am Kurs schätzt er auch die Vielfalt der Teilnehmenden und deren unterschiedliche Hintergründe und Motivationen. Und wie hält es der Arzt selbst mit dem kalten Wasser? «Ich habe höchste Achtung vor den Menschen, die diesen Kurs absolvieren! Ich selber muss aber ehrlich gestehen, dass ich eher der Warmwasser-Schwimmer bin.»
Text: Urs Höltschi
Bild: Urs Höltschi