Der Pegel der Aare unterhalb des Bielersees war deutlich erhöht, das Wasser erdbraun gefärbt als «pur» den RDB besuchte. «Der Seepegel ist hoch, aber er liegt noch deutlich unter den Hochwassern von 2005 oder 2007», erklärte Marc Baumgartner, Präsident der SLRG Bielersee. Wenige Tage später hatte sich die Lage dann dramatisch zugespitzt. Aber an diesem Samstag läuft noch alles «normal».
«Die Funkgeräte sind eingeschaltet, wir sind einsatzbereit», meldet Jvan Wild pünktlich um 13.30 Uhr. In seinem beruflichen Leben ist er Agenturleiter einer Krankenkasse, heute ist er als Matrose an Board. Was dem fünfköpfigen Pikett-Team an diesem Nachmittag bevorsteht, ist offen. «Egal was ein Einsatztag bringt: Am wichtigsten ist es, ruhig und konzentriert zu bleiben. Hektik und Nervosität schaffen nur zusätzliche Gefahren», Marc weiss, wovon er spricht. Seit 24 Jahren ist er im Rettungsdienst der SLRG Bielersee, heute wirkt er als Taucher mit.
Samstag und Sonntag Pikettdienst auf dem See
Von April bis Oktober besteht die Crew jeweils aus einem Bootsführer, zwei Matrosen, zwei Tauchern und situativ einem Aspiranten. Unterschiedliche Persönlichkeiten mit verschiedenen Hintergründen finden im Einsatz zusammen. Der heutige Bootsführer Jacques Vuilleumier ist Technischer Fachspezialist, Marc Baumgartner arbeitet als Projektleiter Entwicklung Werkzeugmaschinen, der zweite Taucher Erich Steinegger ist Leiter der KEZ Biel 144 und der zweite Matrose Matt Roth ist als Projektleiter Digital Communications tätig.
Bootsführer Jacques beschleunigt das Haupteinsatzboot «Milan» wegen des vielen Schwemmholzes relativ zurückhaltend. Wenn keine Rettungseinsätze oder anderweitigen Notfälle über Polycom, Kanal S oder Telefon eingehen, erfüllt der RDB verschiedene Aufträge. Heute sind dies das Anbringen einer weiteren Baderegeltafel, die Kontrolle einer Bojenkette und die Montage eines Badeflosses bei einem Strandbad.
Mehr als eine Rettungsorganisation
Die Kontrolle der Bojenkette ist für die erfahrenen Taucher eine Routinearbeit. Doch bei der Montage des Badeflosses muss das Team passen. Das Floss ist auf einem Bootsabstellplatz 15 Meter vom Ufer entfernt gelagert. Die fünf Crew-Mitglieder können das schwere Floss nicht einwassern, um es dann zum Strandbad zu schleppen. Ein Stapler oder ein Kran sind nicht vor Ort, der Auftrag muss verschoben werden.
«Wir sind nicht nur Rettungsorganisation, wir sind auch eine Art TCS auf dem Bielersee», erläutert Marc. Das breite Einsatzspektrum des RDB stellt an die Ausbildung besondere Anforderungen. Wer ein Brevet Pool Plus oder das Brevet Pool Basis und das Modul See absolviert hat, kann als Aspirant die einjährige Ausbildung zum Matrosen absolvieren.
Anhand des eigens erarbeiteten Ausbildungskonzepts werden spezifische Anforderungen wie Materialkenntnisse, Schiffskunde, Verhalten im Pikettdienst etc. vermittelt. Nach erfolgreicher Ausbildung sind die neuen Pikettmitglieder für mindestens zwei Jahre als Matrosen tätig und können dann die Ausbildung zum Bootsführer beginnen.
Zweieinhalb Vollzeit-Stellen Freiwilligenarbeit
Samstags und Sonntags von Ostern bis Oktober leistet der RDB auf dem Bielersee Pikettdienst. Während der Hochsaison sind die Einsatzzeiten Samstags von 13.30 bis 21.00 Uhr und am Sonntag von 09.00 bis 19.00 Uhr. Auch November bis März ist der RDB im Einsatz, mit reduzierten Pikettzeiten und ohne Taucher an Board.
Die geleisteten Stunden summieren sich: «Allein im Pikettdienst leisten unsere ehrenamtlichen Mitglieder jährlich zwischen 4800 und 5200 Stunden», rechnet Marc vor. Was treibt einen an, jährlich rund 10 bis 14 Tage freiwilligen Pikettdienst auf dem See zu leisten? «Mir geht es gut. Ich habe einen interessanten und erfolgreichen Job. Da will ich der Gesellschaft etwas zurückgeben», erklärt Matt Roth.
Ende 2021 wird der RDB auf ein ereignisreiches Jahr zurückblicken: Innert fünf Tagen nach dem Besuch von «pur» stieg der Seepegel um 1,25 Meter. Die Mitglieder des RDB haben vorgesorgt: Nach dem letzten Hochwasser haben sie bei den Türen der Einsatzzentrale spezielle Hochwasserschutz-Einschubsysteme installiert. Andernfalls wäre das Einsatzmaterial gut 20 cm im Wasser gestanden.